Suche
Kategorien
< Alle Themen
Drucken

Elektronische Bekanntgabe im Verwaltungsverfahren

Jüngst habe ich in der Zeitschrift „apf – ausbildung, prüfung, fachpraxis; Zeitschrift für die staatliche und kommunale Verwaltung“ (Ausgabe 4/23) einen sehr interessanten Beitrag von Reiner Stein zu digitalen Bekanntgabemöglichkeiten von Verwaltungsakten gelesen.

Gerade als Praktiker im Verwaltungsrecht spielt diese Bekanntgabeform eine immer größere Rolle.

Wie ist die derzeitige Lage für Praktiker in den Verwaltungen?

Nehmen wir an, gegenüber einem nicht vertretenen Beteiligten soll ein Verwaltungsakt bekanntgegeben werden. Für die Bekanntgabe wollen wir uns, dem Stand der Technik entsprechend, der elektronischen Bekanntgabe bedienen. Schließlich ist das Zeitalter von Papier und Toner in der modernen Verwaltung Geschichte.

Nun gut, beim letzten Satz musste ich schon etwas schmunzeln. Denn davon ist bei der Bevölkerung nichts zu merken. Aber tut die Bevölkerung der Verwaltung damit Unrecht? Kann die Verwaltung vielleicht gar nichts dafür, dass sie noch Papier und Toner bemüht/bemühen muss?

Zurück zur Situation. Also VA, Bekanntgabe, elektronisch. Gut. Ziel erkannt, jetzt nur noch den richtigen Weg finden.

Der Weg ist etwas steinig. Das erste Hindernis besteht darin, in welchem Dateiformat ein elektronischer Verwaltungsakt bekanntgegeben werden soll. In der einschlägigen Vorschrift, der § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG lässt sich nur das Wort elektronisch. Das hilft uns jetzt nicht sehr weiter. Gehen wir der Sache doch einmal auf den Grund. Das Wort elektronisch fand in der vorgenannten Rechtsvorschrift am 01.02.2003 durch das dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften Eingang. Also besteht bereits seit 20 Jahren die Möglichkeit, Verwaltungsakte elektronisch zu erlassen. Der Gesetzentwurf auf Drucksache 343/02 des Deutschen Bundestages definiert auf Seite 75 nicht, was denn im Sinne des benutzten Dateiformates „elektronisch“ nun bedeutet.

Wenn uns schon der Gesetzentwurf nicht weiterhilft, schauen wir doch mal in die Kommentierung:

„Elektronische Verwaltungsakte sind solche, die der Schriftlichkeit entsprechen, wobei die Schriftzeichen jedoch mit einem elektronischen Datenträger verbunden sind. […] Elektronische Verwaltungsakte können auch E-Mails sein oder Botschaften, die über den sog. Short Message Service (SMS) an Telefone übermittelt und auf dem Display des Telefons abgelesen werden können.“ (BeckOK VwVfG/Tiedemann, 59. Ed. 1.4.2023, VwVfG § 37 Rn. 30)

„Ein „elektronischer Verwaltungsakt“ im Sinn des Satz 1 ist eine als elektronisches Dokument erzeugte Verwaltungsentscheidung, die elektronisch gespeichert und als elektronisches Dokument an den Empfänger übermittelt wird. Er ist das für den Rechtsverkehr entscheidende „Original“. Sein Ausdruck gibt lediglich den Inhalt der Entscheidung wieder, ohne selbst Rechtswirkungen zu entscheiden. Ein elektronischer Verwaltungsakt kann z. B. auch durch eine einfach [sic!] E-Mail erlassen werden.“ (Beck TMG/Roßnagel, 1. Aufl. 2013, VwVfG § 37 Rn. 27)

Ok, „elektronisch“ meint also eine nicht papiergebundene Mitteilung, welche jedoch durch elektronische Geräte visualisiert werden können. Das Gesetz unterscheidet definiert also anscheinend bewusst nicht ein bestimmtes Dateiformat. Dies lässt sich auch aus § 3a Abs. 3 VwVfG sehr gut ableiten.

Im Jahr 2060 werden vielleicht Verwaltungsakte über Tiktok bekannt gegeben, wer weiß?

Ein elektronischer Verwaltungsakt kann somit grundsätzlich als einfache E-Mail, einer SMS, PDF-Dokument oder in anderer elektronischer Form erlassen werden.

Jedoch muss man beachten, dass diese Formfreiheit innerhalb der elektronischen Form eingeschränkt wird, wenn durch Rechtsvorschrift die Schriftform angeordnet wird und diese durch die elektronische Form ersetzt werden soll. Hier sind § 37 Abs. 3 S. 2, 3 und § 3a VwVfG zu beachten.

Nach § 3a Abs. 2 VwVfG kann die Schriftform, unter Vorbehalt spezialgesetzlicher Regelungen, durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.

Eine qualifizierte elektronische Signatur ist praktisch nur im Zusammenspiel mit PDF-Dokumenten möglich. Was eine qualifizierte elektronische Signatur ist, habe ich in meinem Blogbeitrag vom 06.02.2022 beschrieben.

Als Praktiker empfehle ich dringend, elektronische Verwaltungsakte stets als PDF auf dem Kopfbogen der jeweiligen Behörde zu erlassen. Somit wird aus dem elektronischen Verwaltungsakt ein elektronischer Bescheid, in der visuellen Form, die der Adressat auch aus schriftlichen Bescheiden kennt. Zudem bietet das PDF-Format eine breite Akzeptanz hinsichtlich des technischen Zugriffs. Es gibt mittlerweile für viele elektronischen Kommunikationsmittel kostenlose PDF-Anzeigeprogramme.

So, das Dateiformat ist geklärt, wir nehmen die PDF. Die Frage, die sich dem fleißigen Verwaltungsmenschen nun stellt, wie bekomme ich die PDF zum Adressaten. Auch bei dem elektronischen Verwaltungsakt gibt es die Möglichkeit zwischen einfacher und förmlicher Bekanntgabe.

Die einfache Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten

Hier ist § 41 VwVfG einschlägig. Hier gibt es verschiedene Arten von einfacher Bekanntgabe hinsichtlich elektronischer Verwaltungsakte.

Die „3-Tages-Fiktion“

Auch bei elektronischen Verwaltungsakten, die einfach bekannt gegeben werden sollen, findet die gute alte „3-Tages-Fiktion“ Anwendung. Nach § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG gilt ein elektronischer Verwaltungsakt am dritten Tag nach Absendung als bekannt gegeben.

In der Praxis: PDF speichern à Neue E-Mail à PDF anhängen à E-Mail-Adresse eingeben à auf „absenden“ klicken à heute + 3 = Bekanntgabe.

Diese Form der Bekanntgabe ist sehr niederschwellig, da der elektronische Bescheid direkt im E-Mail-Postfach des Adressaten landet. Großer Nachteil ist, wie bei der schriftlichen einfachen Bekanntgabe, die Beweislast der Behörde aus § 41 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Daher sind bei der Auswahl der Bekanntgabeart die gleichen Erwägungen zu ziehen, wie bei einem schriftlichen Bescheid. Ergo: Keine belastenden Bescheide mit einfacher E-Mail.

Auch eine einfache De-Mail ohne Abholbestätigung entspricht der einfachen Bekanntgabe. Der Vorteil hier ist die Datensicherheit, da De-Mails verschlüsselt werden. Jedoch gehe ich auf das Thema De-Mail nur am Rande ein, da diese Art der Kommunikation absolut keine Akzeptanz in der Bevölkerung gefunden hat und diese daher faktisch bedeutungslos ist.

Behördenportal

Die zweite Form der einfachen Bekanntgabe ergibt sich aus § 41 Abs. 2a VwVfG. Demnach kann mit Einwilligung des Beteiligten ein elektronischer Verwaltungsakt dadurch bekannt gegeben werden, in dem dieser über öffentlich zugängliche Netze (= Internet) abgerufen wird. Hier besteht jedoch das Risiko, dass der elektronische Bescheid einfach nicht abgerufen und somit die Bekanntgabe nicht bewirkt wird. Zudem muss sich die abrufende Person hinsichtlich der Abrufberechtigung authentifizieren. Auch bestehen Abruffristen. Schön ist jedoch die rechtliche Sicherheit des Zugangs und somit der Bekanntgabe.

Praktisch ist mir ein solches Portal nicht bekannt. Denkenswert wäre aber folgende Situation: Eine Person beantragt bei einer Behörde eine Genehmigung. Im Antrag hat er eingewilligt, dass ihm die Entscheidung über den Antrag über ein Behördenportal bekannt gegeben wird. Nachdem die Behörde ihre Entscheidung getroffen hat, erhält der Antragsteller eine E-Mail, dass der elektronische Bescheid über das Behördenportal abgerufen werden kann. Der Adressat folgt dem Link in der E-Mail auf das Behördenportal, authentifiziert sich (Ausweisfunktion des Personalausweises, BundID etc.) und lädt sich den Bescheid in PDF-Form herunter. Die Behörde erhält über das Portal eine Mitteilung für die Akte das der Bescheid zum Zeitpunkt X durch die authentifizierte Person heruntergeladen wurde.

Der Download des Bescheides über das Behördenportal hat zudem den Vorteil, dass eine viel Größere Menge an Daten heruntergeladen werden im Vergleich zur Übermittlung einer beschränkten Größe einer E-Mail.

Ich denke, dass die fortschreitende Digitalisierung, so langsam sie auch sein mag, dazu führen wird, dass diese Art der Bekanntgabe durchaus an Bedeutung gewinnen wird.

Förmliche Bekanntgabe (Zustellung)

Jetzt ist unser Verwaltungsakt jedoch nicht für die einfache Bekanntgabe geeignet, da eine nachweisliche und rechtssichere Bekanntgabe erforderlich bzw. die Zustellung rechtlich vorgeschrieben ist. Welche Möglichkeiten stehen uns hier nach dem VwZG zur Verfügung?

Es gibt nur zwei Möglichkeiten der Zustellung elektronischer Verwaltungsakte, auch elektronische Zustellung genannt. Und hier wird es für den Praktiker schwierig.

Elektronische Zustellung gegen Empfangsbekenntnis und elektronische Zustellung durch De-Mail.

Die Zustellung via De-Mail ist faktisch nicht möglich, da nur sehr wenige Personen ein solches De-Mail-Konto besitzen. Mein De-Mail-Konto wurde mir von der Telekom gekündigt, weil die Telekom das De-Mail-Geschäft aufgegeben hat. In den Jahren, indem ich es besessen habe, habe ich es nur ein- oder zweimal benutzt.

Somit bleibt nur noch die elektronische Zustellung gegen Empfangsbekenntnis. Und hier wird es bei Adressaten ohne anwaltliche Vertretung schwierig.

Nach § 5 Abs. 5 VwZG kann ein elektronisches Dokument elektronisch zugestellt werden, wenn

  1. der Empfänger den Zugang eröffnet hat und
  2. das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen ist.

Das ist zunächst nicht so schwierig. Zu beachten ist jedoch, dass elektronische Dokumente für die Zustellung stets eine qualifizierte elektronische Signatur benötigen, egal, ob sie die Schriftform ersetzen oder nicht.

Achtung! Nach § 5 Abs. 5 Satz 2 VwZG ist elektronisch zuzustellen, wenn auf Grund einer Rechtsvorschrift ein Verfahren auf Verlangen des Empfängers in elektronischer Form abgewickelt wird. Ein Beispiel dafür ist § 71e VwVfG.

Nach Abs. 6 ist Folgendes zu beachten

  1. Die Übermittlung ist mit dem Hinweis „Zustellung gegen Empfangsbekenntnis“ einzuleiten.
  2. Die Übermittlung muss die erlassende Behörde, den Namen und die Anschrift des Zustelladressaten sowie den Namen des Bediensteten erkennen lassen. – All das steht im Bescheid.

Praktisch schwierig macht es aber der Absatz 7:

  1. Der Übermittlung ist ein Empfangsbekenntnis beizufügen
  2. Das Empfangsbekenntnis muss mit Datum und Unterschrift durch den Adressaten zurückgeschickt werden per Post oder elektronisch. – Man hat hier also einen rechtlich tolerierten Medienbruch.

Was aber die Folge, wenn das Empfangsbekenntnis nicht der Behörde zurück übersandt wird?

Sofern der bereits oben genannte § 5 Abs. 5 Satz 2 VwZG Anwendung findet, hat der Gesetzgeber eine Zustellfiktion geschaffen. Nach § 5 Abs. 7 Satz 2 VwZG gilt das Dokument am 3. Tag nach Absendung als zugestellt. Die Beweislast trägt, im Gegensatz zu der einfachen Bekanntgabe, nicht die Behörde, sondern der Empfänger. Jedoch bestehen auf Behördenseite nach Satz 4 Belehrungspflichten.

Sofern jedoch § 5 Abs. 5 Satz 2 VwZG keine Anwendung findet, es sich also um ein formloses Verwaltungsverfahren ohne „Verlangenspflicht“ der Behörde auf elektronische Verfahrensführung besteht, gilt Folgendes:

„Das Fehlen des Datums auf dem Empfangsbekenntnis macht die Zustellung nicht unwirksam, unterbleibt die Ausfüllung oder Zurücksendung eines Empfangsbekenntnisses jedoch ganz, muss erkennbar sein, dass der Empfänger das zuzustellende Dokument in Kenntnis der Zustellungsabsicht tatsächlich entgegengenommen hat; ansonsten bestehen Zweifel an der erforderlichen Annahmebereitschaft des Zustellungsempfängers. Erhält die Behörde kein Empfangsbekenntnis und auch keine sonstige Reaktion des Empfängers, dann ist das Dokument nicht zugestellt, wenn nicht die für das elektronische Verfahren aufgenommene Zustellfiktion in § 5 VII 2 Anwendung findet.“ (HK-VerwR/Claudia Danker, 5. Aufl. 2021, VwZG § 5 Rn. 11)

Es besteht also ein doch recht großer praktischer Nachteil im Vergleich zur Zustellungsurkunde oder dem papiergebundenen Empfangsbekenntnis. Während sich der Empfänger nach den §§ 177 bis 182 ZPO bei der Zustellungsurkunde bzw. §§ 177 bis 181 ZPO bei dem Empfangsbekenntnis nur schwer der Zustellung entziehen kann, so ist es bei der elektronischen Zustellung doch um einiges einfacher.

Fazit

Somit spielt die elektronische Zustellung belastender Verwaltungsakte an nicht anwaltliche Beteiligte nur in seltenen Fällen eine praktische Rolle. Dies resultiert aus fehlender Zugangseröffnung, praktischer Unmöglichkeit, gerade bei älteren Empfängern oder aus der mangelnden rechtlichen Umsetzung im VwZG.

Für begünstigende Verwaltungsakte ist jedoch bereits jetzt der Weg frei, diese elektronisch bekanntzugeben. Entweder per E-Mail oder über das Behördenportal.

Inhaltsverzeichnis