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Anhörung

Es kann durchaus in der Abschlussklausur nach der Anhörung gefragt werden. Dabei ist eine bestimmte Prüfsystematik einzuhalten. Wichtig ist es auch, alle Tatbestandsmerkmale sauber zu prüfen.

Prüfsystematik Anhörung

Grundsatz

§ 28 Abs. 1 VwVfG

„Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.“

Aus diesem Grundsatz der Anhörung ergeben sich drei zu prüfende Tatbestandsmerkmale.

  1. Liegt ein Verwaltungsakt vor? (§ 35 Satz 1 VwVfG)
  2. Ist dieser Verwaltungsakt belastend?
  3. Wenn VA schon erlassen: Wurde die Anhörung an einen Beteiligten gerichtet? Wenn VA noch nicht erlassen: Wer ist der Beteiligte, an den die Anhörung zu richten ist? (§ 13 VwVfG)

Wenn alle Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, hat grundsätzlich eine Anhörung zu erfolgen. Sofern im Sachverhalt erkennbar ist, dass die Anhörung stattfand, ist hier die Prüfung zu Ende.

Sofern jedoch im Sachverhalt keine Anhörung stattfand, sind als nächstes die Ausnahmen nach Abs. 2, 3 zu prüfen.

Ausnahmen im Ermessen

§ 28 Abs. 2 VwVfG

„Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

  1. eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
  2. durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
  3. von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
  4. die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
  5. Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.“

Gefahr in Verzug oder öffentliches Interesse

Gefahr in Verzug

„Gefahr im Verzug ist dann anzunehmen, wenn durch eine vorherige Anhörung auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen ein Zeitverlust eintreten würde, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge haben würde, dass die durch den Verwaltungsakt zu treffende Regelung zu spät käme, um ihren Zweck noch zu erreichen.“ (Leitsatz BVerwG Urt. v. 15.12.1983 – 3 C 27/82)

Öffentliches Interesse

Es besteht eine objektive Notwendigkeit einer sofortigen Entscheidung. Durch die Anhörungsfrist könnte der Zweck des Verwaltungsakts gefährdet werden.

Maßgebliche Frist wird in Frage gestellt

Durch die Anhörung würde Handlungsfrist der Behörde gefährdet.

z. B. Einhaltung einer Wahlprüfungsfrist

„Zutreffend hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass eine Anhörung der Antragstellerin vor Erlass des Wahlprüfungsbescheides gemäß § 1 SächsVwVfG i. V. m. § 28 Abs. 1 VwVfG unterbleiben konnte, weil bei Anhörung aller gewählten Mitglieder des Ortschaftsrates bzw. der Vertrauenspersonen der verschiedenen Wahlvorschläge eine Einhaltung der Wahlprüfungsfrist des § 26 Abs. 1 Satz 1 SächsKomWG in Frage gestellt worden wäre, § 28 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG.“ (OVG Bautzen Beschl. v. 11.2.2011 – 4 A 737/10)

Keine Abweichungen von Angaben des Beteiligten

Dies bedeutet, dass die Behörde aufgrund der Angaben eines Beteiligten entscheidet. Da eine Anhörung nur bei belastenden Verwaltungsakten stattfindet, ist diese Regelung in der Praxis nicht weiter relevant, da in der Regel die Behörde bei belastenden Verwaltungsakten nicht nur aufgrund von den Angaben des Beteiligten entscheidet.

Allgemeinverfügungen

Auch bei dem Erlass von belastenden Allgemeinverfügungen (siehe Seite 48) kann die Behörde von einer vorherigen Anhörung absehen. Ein Hauptanwendungsfall ist das Aufstellen belastender Verkehrszeichen, da es schlicht nicht möglich ist, jeden Verkehrsteilnehmer vor Aufstellung des Schildes anzuhören.

Zu beachten ist, dass es sich auch bei Allgemeinverfügungen die übrigen Ausnahmetatbestände des § 28 Abs. 2 VwVfG in Frage kommen könnte. So wurden die Corona-Schutz-Allgemeinverfügungen der Länder und Gemeinden ohne vorherige Anhörung erlassen, da hier z. B. Gefahr in Verzug oder ein öffentliches Interesse auf den Verzicht der Anhörung bestand.

Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung

Für Maßnahmen der Veraltungsvollstreckung kann regelmäßig ermessensfehlerfrei von einer vorherigen Anhörung abgesehen werden. Die wesentlichen Fragen wurden bereits im Hauptverwaltungsverfahren geklärt. (vgl. Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG/Ramsauer, § 28 Rn. 70.)

In der Praxis bietet sich jedoch eine Anhörung an, wenn zwischen dem Ende des Hauptverwaltungsverfahrens und dem Beginn des Verwaltungsvollstreckungsverfahrens einige Zeit vergangen ist. So wird der Adressat noch einmal (kostengünstig) an seine Pflicht aus dem ursprünglichen VA erinnert und kommt ggf. dieser Aufforderung nach. Die Behörde auf der anderen Seite hat so zunächst eine zeitsparende Möglichkeit, den Verwaltungsakt auch ohne (zeitaufwändiges) Vollstreckungsverfahren zu erledigen.

Eine Anhörung sollte jedoch in den Fällen vermieden werden, um den Vollstreckungserfolg nicht zu gefährden. So könnte vor einer Zwangsgeldfestsetzung der Behörde Vermögensgegenstände durch den Beteiligten bei Seite geschafft werden.

Ausnahme ohne Ermessen

§ 28 Abs. 2 VwVfG

„Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.“

Das zwingende öffentliche Interesse nach Absatz 2 ist unbedingt vom „einfachen“ öffentlichen Interesse nach Absatz 1 Nr. 1 abzugrenzen! Ein zwingendes öffentliches Interesse liegt dann vor, wenn ein besonders gewichtiges öffentliches Interesse vorliegt (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG/Ramsauer, § 28 Rn. 76).

Beispiele:

  • Gefährdung der Sicherheit von Bund oder Länder
  • Lebensgefahr
  • Katastrophenfälle

Heilung

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG besteht die Heilung einer unterlassenen Anhörung. In der Praxis geschieht dies durch die Widerspruchsbehörde. Sofern diese im Widerspruchsbescheid auf alle Äußerungen des Adressaten eingeht, gilt die unterlassene Anhörung als geheilt.

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